Original von Zypressen Hügel
ist irgendjemand in der lage, mir zu erklären, was ich mit schaltvorgängen mache??
Ich will's mal versuchen. Aber besten ist das ganze zwar mit sturer Mathematik zu erklären, aber ich denke/hoffe, das geht auch irgendwie anschaulich:
Da wir bestimmt keine Schaltvorgänge bei Netzwerken, die über reine Reihen- oder Parallelschaltung hinausgehen (dann könnten wir in den meisten Fällen nämlich die DGL nicht lösen), wird (wenn überhaupt) eine Schaltung drankommen, die aus einer Reihen- oder Parallelschaltung verschiedener Bauelemente besteht.
Reihenschaltung (z. B. Bild 5.8 im Skript):
Da bei einer Reihenschaltung der Strom in jedem Bauteil identisch ist, muß es eine Funktion geben, die in Anhängigkeit der Zeit diesen Strom angibt. Unser Ziel ist es, diese Funktion zu bestimmen.
Um diese Funktion (nennen wir sie I(t)) zu berechnen, brauchen wir eine DGL, die diese Funktion beschreibt.
Zuerst kann man mit Hilfe der Maschenregel eine Gleichung für die Spannungen an den einzelnen Elementen der Schaltung aufstellen. Das sieht das von Prinzip her so aus:
[Summe der abfallenden Spannungen an den Bauelementen] = Quellenspannung
Nun können wir die Beziehungen von Strom und Spannung an den einzelnen Bauelementen ausnutzen, um in dieser Gleichung von den Spannungen zum Strom zu kommen. Zur Erinnerung nochmal diese Beziehungen:
Am Ohmschen Widerstand:
U(t) = R * I(t)
An der Kapazität (Kondensator):
U(t) = 1/C * [Integral] I(t)
An der Induktivität (Spule):
U(t) = L * [Ableitung] I(t)
Diese Beziehungen setzen wir nun in unsere Spannungsgleichung ein und erhalten eine Gleichung der Form:
[Summe von irgendwas] = Quellenspannung
Sollte in dieser Gleichung irgendwo ein Integral vorkommen, leiten wir beide Seiten einfach ab, um eine Gleichung zu bekommen, die nur eine Funktion und deren Ableitungen enthält. Und schon haben wir unsere DGL.
Die kann man jetzt lösen, wie Idris uns das beigebracht hat (Lösung der homogenen DGL, Partikulärlösung inhomogenen DGL). Nochmal zur Erinnerung:
Als Ansatz wählt man:
I(t) = K * e^(M * t)
(K und M sind dabei irgendwelche Konstanten, die wir später noch bestimmen)
Das setzen wir dann für I(t) (und die zugehörigen Ableitungen) in unsere homogene DGL (also die DGL, nur mit 0 auf der rechten Seite) ein. Das ganze kann man jetzt so umformen, daß man eine (oder mehrere) Lösung für M erhält. Für den Fall, daß sich mehr als eine Lösung ergibt, muß man alle Lösungen addieren.
Wir haben jetzt also:
I(t) = K * e^([Lösung für M] * t)
Oder für den Fall mehrerer Lösungen für M:
I(t) = K1 * e^([1. Lösung für M] * t) + K2 * e^([2. Lösung für M] * t) + ...
Wichtig ist hier, daß K1 ungleich K2 ungleich K3 usw.
Nun bestimmen wir die Partikulärlösung (nur, wenn die rechte Seite der DGL ungleich 0 ist):
Wir könnten jetzt den eingeschwungenen Zustand betrachten ("eingeschwungen" heißt, daß die Zeit t unendlich groß ist), aber ich mach's mal lieber mathematisch - das finde ich einfacher:
Für die Partikulärlösung wählen wir als Ansatz:
I(t) = v
(v ist dabei eine Konstante)
Das setzen wir in unsere DGL ein und erhalten einen Wert für v.
Die Gesamtlösung unserer DGL ist dann die Summe der Lösung der homogenen DGL und der Partikulärlösung. Im Extremfall also:
I(t) = K1 * e^([1. Lösung für M] * t) + K2 * e^([2. Lösung für M] * t) + ... + v
Jetzt fehlt noch K (bzw. K1, K2, ...). Um das (bzw. die) zu bestimmen, betrachten wir den Zeitpunkt t=0. Das macht Sinn, da dann nämlich der (e^[irgendwas])-Teil von I(t) wegfällt (e^0 = 1) - das macht die Sache gleich viel einfacher. Wir überlegen uns jetzt einfach anhand der Schaltung, wie groß I(0) (also I(t) zum Zeitpunkt direkt nach dem Umlegen des Schalters) sein muß. Dazu nochmal zur Erinnerung:
- an Ohmschen Widerständen können sich Strom und dort abfallende Spannung sprunghaft ändern (also ohne Zeitverlust z. B. von 0 V auf 10 V)
- an Induktivitäten kann sich der Strom nicht sprunghaft ändern (da Induktivitäten auf Änderung des Stroms mit einem Gegenstrom "reagieren", siehe Skript). Die Spannung kann sich aber sprunghaft ändern.
- an Kapazitäten kann sich die Spannung nicht sprunghaft ändern (da Kapazitäten durch einen Strom erst aufgeladen oder entladen werden müssen und dieser Strom erst fließen muß, also dafür Zeit benötigt, siehe Skript). Der Strom kann sich aber sprunghaft ändern.
So, nun wieder zurück zu unserer Bestimmung von I(+0) (am Beispiel der Schaltung in Bild 5.5):
Unmittelbar vor dem Umlegen des Schalters (t=-0) fließt kein Strom: I(-0) = 0
Unmittelbar nach dem Umlegen des Schalters (t=+0) würde Strom fließen, wenn die Spule nicht wäre. Die Spule sorgt dafür, daß sich der Strom nicht sprunghaft (sondern kontinuierlich) ändert (s. o.). Der Strom ist also direkt nach dem Einschalten Null: I(+0) = 0
Jetzt setzen wir in unsere Gleichung für I(t) für t Null ein und setzen das mit dem eben bestimmten Wert für den Strom unmittelbar nach dem Einschalten gleich. Damit kann man dann K bestimmen. Für den Fall, daß es K1, K2, ... gibt, muß man sich noch andere Randbedingungen überlegen, aber das geht nur anhand einer konkreten Schaltung (siehe z. B. Seite 77 des Skriptes).
Parallelschaltung (z. B. Aufgabe 10.1 der Übung):
Genauso wie bei der Reihenschaltung, nur daß man zuerst nicht die Spannungsgleichung, sondern eine Stromgleichung aufstellt und diese dann in eine Spannungs-DGL umwandelt. Also alles genau andersrum.
So das war jetzt eine ganze Menge, es ist aber im Prinzip nicht besonders schwierig, wenn man weiß, wie's geht.
Ich hoffe, das ist alles richtig, was ich geschrieben habe. Falls jemand Fehler findet oder Fragen hat, bitte posten.
Schönen Abend noch,
Joachim
PS: Eine Bitte noch: Das nächste Mal bitte nach Möglichkeit etwas präzisere Fragestellungen formulieren, sonst schreibt man sich hier 'nen Wolf.