Fachrat Informatik - Forum

hihi, frankreich verbietet internet und open source: http://www.heise.de/newsticker/meldung/67057

yeah, deutschland verbietet foren (naja, fast): http://www.heise.de/newsticker/meldung/66982

wie schaut es eigentlich mit dem politischen engagement der hannoveraner informatikstudenten aus? ich gehöre mitnichten zu den leuten, die sich paranoiden phantasieen von großangelegten verschwörungen zur zerstörung der demokratie hingeben. nichtsdestotrotz kann ich mich des eindrucks nicht erwehren, dass da erosionsprozesse im gange sind, durch die unser politisches system in richtung oligarchie treibt; sicherlich nicht von langer hand geplant oder auch nur koordiniert, sondern vielmehr als eine phase, in die jede parlamentarische demokratie früher oder später eintritt.

davon ausgehend, dass die damit einhergehende einschränkung von bürgerrechten nicht wünschenswert ist, stellt sich also die frage, wie man diese phase schnellstmöglich überwinden kann. das internet hat anfang der 90er jahre ein versprechen gegeben: die welt durch die uneingeschränkte (und eigentlich sogar nicht einschränkbare) verfügbarkeit von informationen gerechter zu machen, politische partizipation weiteren bevölkerungsteilen zu ermöglichen und die dominanz der konzerngebundenen medien zu brechen.

das ist der grund, warum die nutznießer des status quo (bzw. der tendenziellen oligarchisierung) ausgerechnet den aspekt des freien informationsaustausches aus dem internet tilgen wollen. stattdessen sollen die aspekte unterhaltung und marketing im vordergrund stehen, eine art halbinteraktives fernsehen also. ermöglicht wird dies durch eine weitestgehend desinterressierte mehrheit, die lobbyerprobte abgeordnete nicht identifiziert, geschweige denn bestraft. von dieser ist aber auch in zukunft keine nennenswerte unterstützung zu erwarten, also sind wir gefragt: die (angehenden) sachverständigen der informationstechnik.

natürlich ärgert sich fast jeder von uns über unsinnige gesetzesvorlagen und gefährliche urteile, aber was tun wir dagegen? sich in bürgerrechtsgruppen engagieren und aktiv betonen, dass bestimmte vorgänge einer aufmerksameren öffentlichkeit bedürfen, tun schon die wenigsten. vielleicht ist es der geringen effektivität solchen einsatzes geschuldet, dass die lethargie bei den meisten anhält. vielleicht sollte man aber auch gezielt die parteien unterwandern, insbesondere die sogenannten volksparteien, cdu und spd.

überhaupt halte ich diese beiden für kaum wählbar, da sie kein innovatives programm präsentieren, und sich stattdessen mit wahltaktisch motivierten, halbgaren lösungen hervortun. fdp und grüne haben schärfer herausgearbeitete konzepte und stehen beide für bürgerrechte und liberalismus, wenn auch mit deutlich unterschiedlichen schwerpunkten. jedenfalls haben beide den wert freien informationsaustausches erkannt und haben so die stimme eines informatikers jedenfalls eher verdient, als die beiden unbeweglichen riesen (die linkspartei lasse ich mal außen vor, ich persönlich halte sie für gänzlich unwählbar).

es ist richtig, dass im heise-forum mehr getrollt und geflamed wird, als alles andere. das ist halt der preis der freiheit...

auf der anderen seite geht es bei dem urteil nicht unbedingt um die unsachgemäße nutzung des forums, erst recht nicht um flamewars oder ähnliches. das urteil besagt vielmehr, dass im grunde jeder forenbetreiber für postings (die ihm auch gänzlich unbekannt sein können) juristisch verfolgt werden kann. solange man als forenbetreiber also nicht generell jeden beitrag einzeln freischaltet oder einen zensur-algorithmus einsetzt, kann man sich nie sicher sein, nicht doch mal eine saftige abmahnung zu bekommen. da die einzelfallprüfung nur selten wirtschaftlich machbar ist und da ein wirklich effektiver zensur-algorithmus schlicht nicht existiert (vielleicht nicht einmal möglich ist) bedeutet dieses urteil (sofern es von höherer stelle nicht revidiert wird), dass foren nicht mehr wie gewohnt betrieben werden können.

außerdem sollte man sich auch überlegen, ob es überhaut wünschenswert ist, dass man als forenbetreiber zur zensur jeglicher art gezwungen wird. ich wüsste nicht, wieso unsere demokratische gesellschaft nicht in der lage sein sollte, aufrührerische, unanständige, sexistische oder gar menschenverachtende texte zu verkraften. ich darf es doch auch denken und sogar mit anderen darüber sprechen, wieso sollte ich es nicht auch schriftlich festhalten dürfen?

aber ich greife zu weit: es ging bei dem verhandelten fall lediglich um den aufruf, durch viele, für sich betrachtet legale aktionen (download eines programms) eine last zu erzeugen, mit der die server eines unternehmens mit sehr zwielichtigen geschäftspraktiken in die knie gezwungen werden sollten. dieses unternehmen hat sich in der vergangenheit durch dialergeschäfte, verteilung von trojanern und linkfarmen hervorgetan.

mit der argumentation könnte ich natürlich auch gleich lynchjustiz rechtfertigen, wird mancher jetzt denken. es gibt aber zwei wichtige unterschiede: erstens geht es dabei um wirtschaftliche und nicht um körperliche unversehrtheit (wobei ersterer in der gängigen praxis ohnehin schon ein höherer stellenwert eingeräumt wird) und zweitens handelt es sich lediglich um den aufruf, nicht um die tat. zusammen erlauben diese beiden unterschiede eben doch eine deutliche differenzierung.

aber selbst hier greife ich zu weit: heise hat die beanstandeten beiträge ja zensiert, also sofort nach der beschwerde gelöscht, doch das reichte nicht aus. heise wurde per einstweiliger verfügung dazu gezwungen, sich zur vorauseilenden löschung jeglichen in diesem zusammenhang stehenden beitrags zu verpflichten, also auf deutsch jeden beitrag daraufhin zu untersuchen, ob der beanstandete aufruf in irgendeiner form darin enthalten sein könnte, um ihn dann sofort zu verhindern. heise müsste also jeden einzelnen beitrag sofort überprüfen, um nicht gefahr zu laufen, dass in den fünf minuten, die ein solcher beitrag unzensiert zu lesen ist, der abmahnanwalt eben diesen beitrag sieht, denn dann wäre eine saftige geldstrafe fällig.

noch einmal: heise hat sich noch nicht einmal geweigert, eine zweifelhafte zensurmaßnahme durchzuführen. trotzdem wurde der verlag zur vorauseilenden zensur (die technisch und wirtschaftlich nicht leistbar ist) gezwungen. wie das mit dem grundrecht der meinungsfreiheit zu vereinbaren ist, ist mir schleierhaft. schließlich müsste jeder forenbetreiber, so er dieses urteil ernst nimmt, dafür sorgen, dass in seinen foren zu keinem zeitpunkt beiträge zu lesen sind, die irgendjemandem anlass zu juristisch einigermaßen begründetem anstoß geben könnte...

Quoted

Original von CrissCross
Genauso gibt es heute Parteien, die das Verbot von "Killerspielen" fordern damit wohl noch ein Gesetz mehr der Kategorie "Klappt theoretisch aber praktisch nicht" verabschieden möchten.

Die Frage ist bei alldem, wie realistisch solche Verordnungen sind - und in den meisten Fällen sind solche Vorschläge nur heiße Luft und werden in der Praxis so oder so umgangen.

Quoted

Original von SUPERDIM
Solange nichts schriftliches voliegt, sollte man nicht gleich in Panik verfallen. Abwarten...

das mag sogar richtig sein. es ist aber schon ärgerlich, wie da steuergelder für unsinnige gesetzgebungsverfahren ausgegeben werden. ich bin dafür, die bezüge von trägern politischer ämter deutlich zu erhöhen, um den lobbyeinfluss zu dämpfen. gleichzeitig sollten mechanismen geschaffen werden, durch die ein amtsträger für schlechte, ineffektive arbeit zur rechenschaft gezogen werden kann... naja, das wird wohl ein wunschtraum bleiben...

http://www.heise.de/newsticker/meldung/67358

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